2017 war der Kongress „Industrie digital“ sein letzter Termin als niedersächsischer Wirtschaftsminister, am gleichen Nachmittag nahm Olaf Lies die Urkunde für die Ernennung zum Umweltminister entgegen. Jetzt, fünf Jahre später, ist Lies zurück an der Spitze des Wirtschaftsministeriums – und einer seiner ersten Termine ist das Grußwort bei „Industrie digital 2022“. Die Freude am Termin und am Thema Digitalisierung ist dem Minister deutlich anzusehen und anzuhören. Mit großem Enthusiasmus spricht er vor fast 300 Gästen im Schloss Herrenhausen über die Chancen, die uns die aktuelle Zeit bietet, und über die Zukunft, die maßgeblich davon abhängen wird, inwieweit es der niedersächsischen Wirtschaft gelingt, Digitalisierung und Transformation umzusetzen. „Es ist eine herausfordernde Zeit, aber es muss uns gelingen, uns aus dieser Krise heraus zu investieren. Und das nicht nur finanziell, sondern auch mit Ideen und Investitionen.“
Digitalisierung müsse wieder als Schlüsselelement in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Denn die Lösung vieler aktueller und zukünftiger Herausforderungen seien untrennbar mit ihr verbunden. „Noch nie haben wir uns so intensiv mit der Frage beschäftigen müssen, ob und wie wir die Versorgung mit Energie sicherstellen können. Und diese Frage wird uns auch in den kommenden Jahren beschäftigen.“ Eine Schlüsselrolle werden dabei sogenannte „Smart Grids“ spielen. Das sind intelligente Stromnetze, die eine Vielzahl von Stromerzeugern, Speichern und Verbrauchern so steuern, dass Leistungsschwankungen nahezu gar nicht vorkommen. Dies ist besonders wichtig, wenn die stark schwankenden Strommengen aus Wind- und Solarkraft einen großen Anteil am Strommix darstellen sollen. Ein Thema, mit dem Lies eigenen Angaben zufolge bisher nicht gerade offene Türen eingerannt hat. Doch jetzt, ist der Minister sicher, ist die Zeit der intelligenten Stromnetze gekommen.
Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, machte deutlich, dass mehr Engagement der Politik zur Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen wichtig ist. „Die aktuelle Situation ist in unseren Unternehmen alles andere als erträglich, insbesondere der industrielle Mittelstand hat vielerorts echte Cash-Porbleme.“ Einer neuen Umfrage des Verbandes zufolge können drei Viertel der Unternehmen in der Industrie die Preissteigerungen bei Material und Energie nicht an ihre Kunden weitergeben können.
In Krisenzeiten werden Investitionen als erstes gestrichen
„Der Wettbewerb mit anderen Ländern hat sich durch die Energiepreisexplosion zudem rasant verschärft. In kaum einem Land sind Strom und Gas so teuer wie hier.“ Das habe dramatische Folgen für die Industrie. „Vier von zehn Unternehmen haben uns gesagt, dass es extrem schwer ist, internationale Stakeholder von Investitionen am Standort in Deutschland zu überzeugen“, sagt Schmidt. Ebenfalls abschreckend wirkten überbordende Bürokratie und hohe Lohnkosten. „In Krisenzeiten müssen die Unternehmen Kosten senken, und dabei werden Investitionen fast immer zuerst zusammengestrichen.“ So hätten in der Umfrage 90 Prozent der befragten Unternehmen geantwortet, die Investitionen für 2023 radikal gekürzt zu haben. „Das ist ein Wert, den wir bisher noch nie gemessen haben. Eine klassische Problematik: Wer investiert angesichts so viel Unsicherheit über künftige Kostentrends in schrumpfende Märkte? 2023 könnte ein sehr problematisches Jahr werden."
Forderung an die Politik: Steuern auf Strom auf ein Minimum senken
Ähnlich äußert sich auch Dr. Dennis Kampen, Geschäftsleiter Forschung und Innovation vom Familienunternehmen BLOCK Transformatoren-Elektronik GmbH. Die Firma aus Verden bietet Transformatoren an, die zwischen das Stromnetz und sensible Industrieanlagen geschaltet werden, um Netzverzerrungen auszugleichen und eine für die Anlagen perfekte Stromspannung herzustellen. „Wir leiden sehr unter der aktuellen Strompreissituation“, sagt Kampen, der als Gastredner in einem Diskussionsforum zur Energiesicherheit auftrat. „Wir versuchen, unseren Energieverbrauch zu reduzieren und in weitere Energiequellen zu investieren.“ Doch das reiche nicht. „Deshalb fordern wir von der Politik, die Steuern und Abgaben auf Strom auf ein Minimum zu reduzieren und einen Preisdeckel für zur Stromproduktion genutzte Gasmengen umzusetzen.“
Doch auf dem „Industrie digital“-Kongress ging es nicht nur um Energieversorgung. Auch die Themen Nachhaltigkeit, Künstliche Intelligenz und Cybersicherheit spielten eine große Rolle.